Eine kurze Geschichte der Bauingenieurwissenschaften an der TU Graz

Lehrkanzeln / Institute und Professoren

Den Beginn des Bauingenieurwesens an der TU Graz markiert die Einrichtung der Lehrkanzel für Baukunde am Joanneum 1846, die im folgenden Jahr mit Moritz Wappler, bis dahin Professor des Zeichnungs-Unterrichtes an der Ständischen Realschule, besetzt wurde. Unterrichtsgegenstand war zunächst die Land-, Straßen- und Wasserbaukunde in einem einjährigen Vorlesungsprogramm, das 1853 auf zwei Jahreskurse aufgeteilt wurde.

Im Zug der Einrichtung von Fachschulen (heute Fakultäten) um 1865 kam es zu einer ersten Erweiterung bzw. Neuorganisation: Zur Betreuung des zu dieser Zeit an der „Ingenieurschule“ neu eingerichteten Studiums des „Ingenieurwesens“ (ab ca. der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert „Bauingenieurwesen“) dienten nun insgesamt drei Lehrkanzeln:

  • die Lehrkanzel für Ingenieurwissenschaften 1 (ab 1872 Lehrkanzel für Brückenbau) mit Prof. Adolf von Gabriely (gefolgt ab 1893 von Josef Cecerle und ab 1920 von Georg Kapsch)
  • die Lehrkanzel für Ingenieurwissenschaften 2 (ab 1875 Lehrkanzel für Straßen und Eisenbahnbau) mit Prof. Karl Scheidtenberger (ab 1886 Moritz Kovatsch, ab 1895 Emil Teischinger, ab 1921 Valentin Köck, ab 1924 Paul Döll)
  • und die Lehrkanzel für Hochbau mit Prof. August Essenwein (ab 1866 Josef Horky, ab 1875 Johann Wist).

Hinzu kamen wenig später als vierte und fünfte Lehrkanzel:

  • 1875 die Lehrkanzel für Baumechanik und graphische Statik mit Prof. Karl Stelzel (ab 1912 Lehrkanzel für Baustatik mit den Professoren Fritz Postuvanschitz, 1929 Heinrich Leitz, 1931 Heinrich Neukirch, 1940 Hermann Beer)
  • und 1876 eine nun selbständige Lehrkanzel für Wasserbau mit Prof. Wilhelm Heyne (ab 1894 Philipp Forchheimer, ab 1915 Hans Paul, gefolgt vor dem Zweiten Weltkrieg von Armin Schoklitsch)

Daneben gehörten folgende Grundlagenfächer zur „Ingenieurschule“:

  • die Lehrkanzel für Mathematik I (bis 1940)
  • die Lehrkanzel für Praktische Geometrie (ab 1899 Lehrkanzel für Geodäsie) und ihre Nachfolger (bis 2003)

Um 1890 erfolgte die Abspaltung der Hochbauschule (heute Fakultät für Architektur)und die damit verbundene Einrichtung eines gesonderten Hochbau- (= Architektur-) Studiums. Diese Trennung wurde zwischen 1941 und 1945 sowie nochmals zwischen 1955 und 1975 rückgängig gemacht.
Ab 1928 durften die Fachschulen in Angleichung an die Begrifflichkeit an den Universitäten den Namen „Fakultät“ tragen. Im gleichen Jahr wurde die Lehrkanzel für Brückenbau geteilt in eine Lehrkanzel für Stahlbau mit Prof. Franz Brunner (gefolgt 1944 von Konrad Sattler) und eine Lehrkanzel für Eisenbetonbau und Beton- und Steinbrückenbau mit Prof. Robert Bortsch (ab 1940 Lehrkanzel für Massivbau mit Prof. Hermann Craemer). Die Lehrkanzel für Stahlbau wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst mit der Lehrkanzel für Baustatik vereinigt (Prof. Hermann Beer) und 1955 als Lehrkanzel für Stahlbau, Holzbau und Flächentragwerke wieder neu gegründet (mit den Professoren Hermann Beer, 1974 Friedrich Resinger, 1976 Richard Pischl, 1981 Richard Greiner).

1940 erfolgte erstmals eine Trennung der Lehrkanzel für Straßen- und Eisenbahnbau in zwei selbständige Lehrkanzeln (Prof. von Gottstein und Prof. Erwin Massute), die nach einer Phase der Wiedervereinigung ab 1945 erst 1964 endgültig wirksam wurde.

Nach 1945 bestanden somit folgende Bauingenieur-Lehrkanzeln (ab 1975 Institute):

  • Lehrkanzel für Baustatik und Stahlbau (1955 Lehrkanzel für Baustatik mit den Professoren Ernst Chwalla, 1961 Konrad Sattler, 1975 Peter Klement, 1993 Gernot Beer, 2013 Thomas-Peter Fries)
  • Lehrkanzel für Massivbau (1948 Erich Friedrich, 1967 nach mehrmaligen Namensänderungen Fritz Bauer, 1973 Richard Küng, 1981 Adalbert Koberg, 1994 als Institut für Betonbau mit den Professoren Lutz Sparowitz, 2010 Viet Tue Nguyen)
  • Lehrkanzel für Straßen-, Eisenbahn- und Tunnelbau (Prof. Alois Pendl)
  • Lehrkanzel für Wasserbau (1950 Lehrkanzel für Wasserbau und Grundbau, Prof. Hermann Grengg)

In den letzten 60 Jahren wurden zusätzlich folgende Lehrkanzeln (ab 1975 Institute) neu eingerichtet:

  • 1957 Teilung der Lehrkanzel für Wasserbau und Grundbau (1950 Prof. Hermann Grengg) in eine Lehrkanzel für Wasserwirtschaft, Grundbau und Konstruktiven Wasserbau (Prof. Hermann Grengg, ab 1964 mit mehrmaligen Namensänderungen Helmut Simmler, 1989 Günther Heigerth, ab 1997 Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft, 2007 Gerald Zenz) und in eine Lehrkanzel für Hydraulik, Landwirtschaftlichen Wasserbau und Siedlungswasserbau (Prof. Max Breitenöder, 1965 Prof. Ernst P. Nemecek, ab 1989 nach mehrmaligen Namensänderungen Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Landschaftswasserbau, 1993 Helmut Renner, 2001 Harald Kainz, 2012 Dirk Muschalla)
  • 1964 Teilung der Lehrkanzel für Straßen- , Eisenbahn- und Tunnelbau in eine Lehrkanzel für Straßenbau und Verkehrswesen (mit den Professoren Josef Raimund Dorfwirth, 1973 Herbert Köstenberger, 1995 als Institut für Straßen- und Verkehrswesen mit den Professoren Helmut Stickler, 2005 Martin Fellendorf)und eine Lehrkanzel für Eisenbahn- und Verkehrswesen (Professoren Karl Klugar, ab 1980 Institut für Eisenbahnwesen, 1984 Klaus Rießberger, ab 1997 Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft, 2010 Peter Veit)
  • 1964 eine Lehrkanzel für Bodenmechanik, Felsmechanik und Grundbau (Professoren Christian Veder, 1979 Heinz Brandl, 1982 Martin Fuchsberger, 1993 als Institut für Bodenmechanik und Grundbau mit Professoren Stephan Semprich, 2012 Roman Marte, ab 2018 Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik)
  • 1964 eine Lehrkanzel Hochbau für Bauingenieure (Prof. Fritz Reischl, 1981 als Institut für Hoch- und Industriebau mit Prof. Horst Gamerith, 2006 Institut für Hochbau und Bauphysik mit Prof. Peter Kautsch, 2011 als Institut für Hochbau mit den Professoren Peter Kautsch und 2011-2017 Oliver Englhardt, 2021 Institut für Bauphysik, Gebäudetechnik und Hochbau mit den Professoren Michael Monsberger und Christina Johanna Hopfe)
  • 1967 eine Lehrkanzel für Baugeologie (Prof. Hans Seelmaier, bestand bis 1979)
  • 1970 eine Lehrkanzel für Baubetriebs- und Bauwirtschaftslehre (Prof. Rudolf Aita, 1981 als Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft mit den Professoren Norbert Raaber, 1996 Gert Stadler, 2002 Hans Lechner, 2006 Detlef Heck sowie 2013 Gottfried Mauerhofer und 2015 bis 2019 Michael Monsberger)
  • 1972 Lehrkanzel für Hydromechanik, Hydraulik und Hydrologie (Professoren Ferdinand Wehrschütz, 1997 Heinz Bergmann, bestand bis 2002)
  • 1992 Institut für Felsmechanik und Tunnelbau (Prof. Wolf Schubert, 2018 Prof. Thomas Marcher)
  • 1997 Konstruktive Versuchsanstalt (seit 2006 Labor für Konstruktiven Ingenieurbau, Doz. Bernhard Freytag)
  • 2004 Institut für Bauinformatik (Prof. Ulrich Walder, bestand bis 2013)
  • 2004 Teilung des Instituts für Stahlbau, Holzbau und Flächentragwerke in ein Institut für Stahlbau und Flächentragwerke (Professoren Richard Greiner, Gerhard Schickhofer, 2011 als Institut für Stahlbau mit Prof. Harald Unterweger) und ein Institut für Holzbau und Holztechnologie (Prof. Gerhard Schickhofer).
  • 2021 Institut für Eisenbahn-Infrastrukturdesign (Prof. Ferdinand Pospischil)

Von anderen Fakultäten wurden übernommen:

  • 1955 das Institut für Mechanik (Professoren Alexander Kromm, 1975 Karl Wohlhart, 1985 Rudolf Greimel, 1996 Andres Kecskemethy, 2004 als Institut für Baumechanik mit Prof. Martin Schanz)
  • 1998 das Institut für Materialprüfung und Baustofftechnologie mit angeschlossener Technischer Versuchs- und Forschungsanstalt für Festigkeits- und Materialprüfung (Professoren Helmuth Geymayer, 2003 Peter Maydl, ab 2015 Markus Krüger)
  • 2004 das Institut für Angewandte Geowissenschaften (Professoren Martin Dietzel und 2007 Daniel Scott Kieffer)

Die Fakultät selbst heißt seit 2004 Fakultät für Bauingenieurwissenschaften (statt wie vorher Fakultät für Bauingenieurwesen).

Die Studien

Mit der Gründung der Ingenieurschule 1865 wurde das „Ingenieurstudium“ eingeführt.
Dieses konnte ab 1878 mit einer staatlich anerkannten Prüfung, der sogenannten „2.Staatsprüfung“ abgeschlossen werden, die seit den Reformen in den 1970er Jahren „2. Diplomprüfung“ hieß. Das so entstandene „Diplomstudium Bauingenieurwesen“ wurde von 1878 bis zu seinem Ende 2011 von insgesamt knapp 4.000 Personen abgeschlossen. Die Kennzahl für dieses Studium lautete ab 1972 „F61“, dann ab 1980 „610“.

Seit Anfang der 1970er Jahre war dieses Studium in Wahlfachgruppen bzw. Studienzweige gegliedert:

  • Baubetrieb und Bauwirtschaft (1972 bis 1980 als Gruppe 070, 1980 bis 1993 als Studienzweig / Wahlfachgruppe 615, 1993 bis 1997 als Studienzweig 615)
  • Geotechnik und Wasserbau (1993 bis 2004 als Studienzweig 619)
  • Grundbau und Wasserbau (1972 bis 1980 als Gruppe 060)
  • Grundbau, Wasserwirtschaft und Wasserbau (1980 bis 1993 als Studienzweig / Wahlfachgruppe 614, 1993 bis 1997 als Wahlfachgruppe 614)
  • Infrastruktur und Umwelt (1993 bis 2004 als Studienzweig 618)
  • Konstruktiver Ingenieurbau (1972 bis 1980 als Gruppe 040, 1980 bis 1993 als Studienzweig/ Wahlfachgruppe 611, 1993 bis 2004 als Studienzweig 611)
  • Verkehrswesen (1972 bis 1980 als Gruppe 050)
  • Verkehrswesen und Verkehrswirtschaft (1980 bis 1997 als Studienzweig / Wahlfachgruppe 612)

Ab ca. 1960 war es zusätzlich möglich, im Studium des Wirtschaftsingenieurwesens die Vertiefungsrichtung „Bauwesen“ zu wählen – das war der Start des späteren Diplomstudiums „Wirtschaftsingenieurwesen-Bauwesen“, das bis zu seinem Ende 2011 von rund 900 Personen abgeschlossen wurde. Die Kennzahl für dieses Studium lautete ab 1972 „F62“, dann ab 1980 „620“.

2005 begann die Umstellung der Bauingenieurstudien auf das neue Bachelor-Master-System mit folgenden Studien:

  • Bachelorstudium Bauingenieurwissenschaften, Umwelt und Wirtschaft, ab 2015 mit neuem Namen Bauingenieurwissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen („033 264“)
  • Bachelorstudium Geowissenschaften („033 615“, gemeinsam mit der Universität Graz im Rahmen von NAWI Graz, ab 2020)
  • Masterstudium Bauingenieurwissenschaften – Geotechnik und Wasserbau („066 466“, ab 2006, ab 2015 in englischer Sprache mit dem Namen Geotechnical and Hydraulic Engineering)
  • Masterstudium Bauingenieurwissenschaften – Konstruktiver Ingenieurbau („066 465“, ab 2006)
  • Masterstudium Bauingenieurwissenschaften - Umwelt und Verkehr („066 468“, ab 2006, ab 2017 mit neuem Namen Bauingenieurwissenschaften - Infrastruktur)
  • Masterstudium Wirtschaftsingenieurwesen-Bauingenieurwissenschaften („066 469“, ab 2006)
  • Masterstudium Erdwissenschaften („066 815“ gemeinsam mit der Universität Graz im Rahmen von NAWI Graz, ab 2006, ab 2018 in englischer Sprache unter dem Namen Geosciences)

Ergänzend wurden in den letzten Jahren postgraduale Universitätslehrgänge wie „Nachhaltiges Bauen“ oder „New Austrian Tunneling Engineering (NATM Engineering)“ eingerichtet.